IoMT in Schweizer Spitälern: Effizienzsteigerung und nachhaltiges Kostenmanagement
Wissensdatenbank Technologie A.1: Tech-FoundationDas Schweizer Gesundheitswesen steht vor der Herausforderung, die Digitalisierung gezielt voranzutreiben, um Effizienz und Versorgungsqualität zu steigern (Tag, 2024). IoMT (Internet of Medical Things) bietet vielversprechende Ansätze, indem medizinische Geräte vernetzt werden, die über das Internet oder ein Netzwerk miteinander kommunizieren können. Dies ermöglicht nicht nur den Austausch von Daten, sondern auch die Optimierung betrieblicher Abläufe und wertvolle Einblicke für Gesundheitsdienstleister und Patient*innen (El-Saleh et al., 2024). Trotz des Potenzials stellen hohe Implementierungskosten und Integrationshürden nach wie vor zentrale Hindernisse für eine flächendeckende Einführung dar (Tag, 2024). Vor diesem Hintergrund bleibt die entscheidende Frage: "Wie können IoMT-Technologien effektiv in Schweizer Spitälern integriert werden, um die betriebliche Effizienz zu steigern und gleichzeitig ein nachhaltiges Kostenmanagement zu gewährleisten?"
Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz
Das Schweizer Gesundheitssystem sieht sich zunehmendem Druck durch steigende Gesundheitskosten, Fachkräftemangel und komplexe Arbeitsprozesse ausgesetzt. Digitalisierung und Automatisierung bieten vielversprechende Ansätze, um diesen Herausforderungen zu begegnen, bleiben jedoch vielerorts unzureichend umgesetzt.
Viele Spitäler arbeiten mit bewährten IT-Systemen, die allerdings oft an ihre Grenzen stossen, wenn moderne, vernetzte Technologien wie IoMT (Internet of Medical Things) eingeführt werden sollen. Dies kann die effiziente Kommunikation zwischen Mitarbeitenden behindern und die schnelle sowie präzise Verarbeitung von Patientendaten erschweren. Die Folgen sind längere Wartezeiten, erhöhte Betriebskosten und eine ineffiziente Nutzung von Ressourcen, was letztlich die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen kann (Bergamin et al., 2020; El-Saleh et al., 2024).
IoMT-Technologien bieten das Potenzial, solche Defizite zu adressieren, indem sie vernetzte Geräte nutzen, um Daten in Echtzeit zu erfassen, zu analysieren und bereitzustellen. Ein Beispiel ist die Diabetesüberwachung: Vernetzte Glukosemessgeräte übertragen Blutzuckerwerte in Echtzeit an mobile Apps oder cloudbasierte Plattformen. Diese Daten unterstützen Ärzt*innen und Pflegepersonal bei der Entscheidungsfindung und ermöglichen ein effektiveres Monitoring (AlShorman et al., 2020). Durch den Einsatz solcher Technologien kann nicht nur die Qualität der Patientenversorgung, sondern auch die Effizienz betrieblicher Abläufe gesteigert werden.
Dennoch sehen sich Spitäler bei der Implementierung von IoMT mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Begrenzte zeitliche und finanzielle Ressourcen erschweren selbst die Einführung scheinbar einfacher Anwendungen. Die Integration in bestehende IT-Systeme verlangt umfangreiche Anpassungen sowie Schulungen des Personals, insbesondere für kleinere oder finanziell weniger gut ausgestattete Einrichtungen. Hohe Investitionskosten und Unsicherheiten über den tatsächlichen Nutzen verstärken das Risiko, was die Umsetzung verlangsamt oder verhindert. Ohne eine klare und langfristige Strategie für die digitale Transformation könnten die Vorteile des IoMT nur unzureichend genutzt werden, wodurch ineffiziente Prozesse weiterhin das Gesundheitssystem belasten (El-Saleh et al., 2024; Monteiro et al., 2021).
Methoden und Vorgehen im Projekt
Im Rahmen einer semi-strukturierten Literaturrecherche wurden aktuelle Studien untersucht, um den Einfluss des IoMT auf das Kostenmanagement und die Effizienzsteigerung in Spitälern zu bewerten. Hierfür wurden wissenschaftliche Datenbanken systematisch nach relevanten Publikationen durchsucht. Einbezogen wurden Studien ab dem Jahr 2015, die sich auf westliche Gesundheitssysteme konzentrieren und praxisnahe Empfehlungen für die Integration von IoMT-Technologien in den Spitalalltag liefern. Die identifizierten Studien wurden thematisch analysiert und hinsichtlich ihrer Implikationen für organisatorische Effizienz und finanzielle Auswirkungen ausgewertet.
Die Recherche basierte auf der Kombination relevanter Keywords mithilfe von Booleschen Operatoren. Zu den verwendeten Begriffen zählten unter anderem: Internet of Medical Things (IoMT), healthcare (Gesundheitswesen), cost management (Kostenmanagement), efficiency (Effizienz), integration (Integration), medical devices (Medizingeräte), data security (Datensicherheit), hospital management (Krankenhausmanagement), process optimization (Prozessoptimierung), challenges (Herausforderungen) und Swiss hospitals (Schweizer Spitäler).
Ergebnisse und Erkenntnisse
Die Analyse zeigt, dass das IoMT ein erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung und Optimierung des Kostenmanagements in Schweizer Spitälern bietet. Die Vernetzung medizinischer Geräte und die Erfassung von Echtzeitdaten ermöglichen die Automatisierung und Verbesserung medizinischer Prozesse. Dies kann die Diagnostik beschleunigen und präzisieren, die Behandlungsqualität steigern und das medizinische Personal durch die Übernahme von Routineaufgaben entlasten. Gleichzeitig führt dies zu einer besseren Ressourcennutzung und einer Senkung der Betriebskosten (Axisbits, 2024; Marheine et al., 2021).
Ein Lösungsansatz, der aktuell im Rahmen des Subprojekts SHIFT A.1 entwickelt wird, ist die Tech-Foundation. Diese zielt darauf ab, eine sichere und standardisierte Middleware zu schaffen, die IoMT-Technologien nahtlos in bestehende Spital-IT-Systeme integriert. Mit standardisierten Schnittstellen wie FHIR und modularisierten Diensten wie Identity Management könnte diese Lösung helfen, die Interoperabilität zu verbessern und die Grundlage für effizientere digitale Prozesse zu legen (SHIFT, 2024).
Trotz dieser Vorteile stehen Spitäler vor erheblichen Herausforderungen bei der Einführung von IoMT-Technologien. Hohe Implementierungskosten, die Anschaffung neuer Geräte sowie die notwendige Anpassung bestehender IT-Infrastrukturen stellen zentrale Hürden dar. Die Interoperabilität, also die nahtlose Integration neuer Technologien in bestehende Systeme, ist entscheidend und erfordert oft hohe Investitionen, besonders für kleinere Spitäler mit begrenztem Budget. (Darms et al., 2019; Monteiro et al., 2021).
Hinzu kommen laufende Kosten für Wartung, Software-Updates und Schulungen, um den sicheren und effizienten Einsatz der Systeme zu gewährleisten. Gleichzeitig sind die Verwaltung und der Schutz sensibler Patientendaten ein zentrales Thema, das kontinuierliche Investitionen in Datenschutzmaßnahmen erfordert, um sowohl rechtliche Vorgaben als auch Sicherheitsstandards einzuhalten (Darms et al., 2019; Monteiro et al., 2021).
Ein weiteres Hindernis für die breite Einführung von IoMT ist das Fehlen klarer Verrechnungsmodelle (Mischak, 2017; Rawas, 2024). Ein Beispiel dafür ist das „Hospital@home“-Modell, das Patient*innen eine Behandlung zu Hause ermöglicht und sowohl die Versorgung verbessert als auch Spitäler entlastet (siehe B.3). Trotz dieser Vorteile fehlen jedoch finanzielle Anreize für eine grossflächige Implementierung. Die Zuständigkeiten der Kostenträger sind unterschiedlich: Während stationäre Kosten von Kantonen und Versicherern gemeinsam getragen werden, übernehmen Versicherer ambulante Kosten vollständig. Diese Aufteilung führt zu Unklarheiten bei hybriden Modellen wie Hospital@home (Hehli, 2024). Mit der geplanten Einführung einer einheitlichen Finanzierung in der Schweiz von ambulanten und stationären Leistungen ab 2028 könnte jedoch eine klarere Grundlage geschaffen werden, die solche Modelle in Zukunft erleichtert (Besson, 2024). Bis dahin bleibt die ausserklinische Betreuung wirtschaftlich unattraktiv, was die grossflächige Umsetzung dieser vielversprechenden Ansätze behindert.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens, einschliesslich der Integration von IoMT, strategisch geplant werden muss, um die Vorteile langfristig und nachhaltig zu realisieren (Hehli, 2024).
Empfehlungen für die Praxis
- Entwicklung klarer Verrechnungsmodelle: Die Einführung spezifischer Modelle zur Verrechnung von IoMT-Diensten ist essenziell, um sowohl die Kosten als auch den Mehrwert der Technologie transparent darzustellen und deren wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu sichern (Hehli, 2024).
- Pilotprojekte zur Risikominimierung: Der Einsatz von IoMT-Technologien mit dem DeviceHub der Leitwert AG in kleineren Pilotprojekten bietet eine kontrollierte Testumgebung für neue Anwendungen (Device Hub – Leitwert, n.d.). So können potenzielle Risiken frühzeitig erkannt und Anpassungen vorgenommen werden, bevor eine grossflächige Implementierung erfolgt (Darms et al., 2019).
- Nahtlose Integration sicherstellen: Die reibungslose Einbindung von IoMT-Technologien in bestehende IT-Infrastrukturen, etwa durch den Einsatz der Health-Engine von The I-Engineers AG (TIE, 2022) gewährleistet eine effiziente Nutzung der gesammelten Daten und optimiert so die Prozessabläufe (Monteiro et al., 2021).
- Fortlaufende Schulung des Personals: Ohne ausreichende Schulung der Mitarbeitenden verliert das IoMT an Wirksamkeit. Das Personal muss in der Lage sein, die Technologien korrekt zu nutzen, da unzureichendes Wissen zu Fehlern und Ineffizienzen führen kann (Darms et al., 2019).
- Optimierung der Datensicherheit: Die Sicherstellung der Datensicherheit und der Schutz sensibler Patientendaten sind von höchster Priorität (Monteiro et al., 2021).
- Durchführung einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse: Vor der Implementierung sollte eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden, um den langfristigen wirtschaftlichen Nutzen der IoMT-Technologien zu bewerten (Monteiro et al., 2021).
Literatur und andere Quellen
AlShorman, O., AlShorman, B., Al-khassaweneh, M., & Alkahtani, F. (2020). A review of internet of medical things (IoMT) - based remote health monitoring through wearable sensors: A case study for diabetic patients. Indonesian Journal of Electrical Engineering and Computer Science, 20(1), 414. doi.org/10.11591/ijeecs.v20.i1.pp414-422
Axisbits. (2024). Axisbits | Blog: Die Rolle des IoMT im Gesundheitswesen und in der Patientenversorgung. www.axisbits.ch/blog-posts/die-rolle-des-iomt-im-gesundheitswesen-und-in-der-patientenversorgung
Bergamin, S., Braun, M., & Glaus, B. (2020). Globalisierung und Digitalisierung. springerprofessional.de. https://www.springerprofessional.de/globalisierung-und-digitalisierung/18555970
Darms, M., Haßfeld, S., & Fedtke, S. (2019). IT-Sicherheit und Datenschutz im Gesundheitswesen: Leitfaden für Ärzte, Apotheker, Informatiker und Geschäftsführer in Klinik und Praxis. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21589-7
El-Saleh, A. A., Sheikh, A. M., Albreem, M. A. M., & Honnurvali, M. S. (2024). The Internet of Medical Things (IoMT): Opportunities and challenges. Wireless Networks. https://doi.org/10.1007/s11276-024-03764-8
Hehli, S. (2024, Mai 24). Hospital at Home: Die Medizin der Zukunft. Neue Zürcher Zeitung. www.nzz.ch/zuerich/hospital-at-home-die-medizin-der-zukunft-ld.1831657
Marheine, C., Gruber, L., & Back, A. (2021). Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur Bestimmung des Innovationspotenzials. In S. Meinhardt & F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices: Internet der Dinge, Geschäftsmodellinnovationen, IoT-Plattformen, IoT in Fertigung und Logistik (S. 39–56). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_3
Mischak, R. (2017). Wearables als Herausforderung im Gesundheitswesen – Revolutionieren Wearables das Gesundheitswesen im 21. Jahrhundert? In M. A. Pfannstiel, P. Da-Cruz, & H. Mehlich (Hrsg.), Digitale Transformation von Dienstleistungen im Gesundheitswesen I: Impulse für die Versorgung (S. 277–288). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12258-4_18
Monteiro, A. C. B., França, R. P., Arthur, R., & Iano, Y. (2021). An Overview of Medical Internet of Things, Artificial Intelligence, and Cloud Computing Employed in Health Care from a Modern Panorama. In P. Siarry, M. A. Jabbar, R. Aluvalu, A. Abraham, & A. Madureira (Hrsg.), The Fusion of Internet of Things, Artificial Intelligence, and Cloud Computing in Health Care (S. 3–23). Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-030-75220-0_1
Rawas, S. (2024). Transforming healthcare delivery: Next-generation medication management in smart hospitals through IoMT and ML. Discover Artificial Intelligence, 4(1), 31. https://doi.org/10.1007/s44163-024-00128-1
Tag, B. (2024). Digitalisierung im Gesundheitswesen. Medizinrecht, 42(9), 721–729. https://doi.org/10.1007/s00350-024-6832-6
Besson, P.-F. (2024, October 2). Wird die Gesundheitsversorgung bald einheitlich finanziert? SWI swissinfo.ch. www.swissinfo.ch/ger/bundespolitik/wird-die-gesundheitsversorgung-bald-einheitlich-finanziert/87586737
Device Hub – Leitwert. (n.d.). Retrieved December 12, 2024, from www.leitwert.ch/technology/device-hub/
El-Saleh, A. A., Sheikh, A. M., Albreem, M. A. M., & Honnurvali, M. S. (2024). The Internet of Medical Things (IoMT): Opportunities and challenges. Wireless Networks. doi.org/10.1007/s11276-024-03764-8
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TIE. (2022). «health-engine» Basis flexible Software für Spitäler. the i-engineers. www.tie.ch/static/h-e_TIE_Booklet_Eins_Basis_vs10-200ffaeb13393782a6529a64071b6d94.pdf
Zitierung des Beitrags
IoMT in Schweizer Spitälern: Effizienzsteigerung und nachhaltiges Kostenmanagement