Big Picture
Nicht nur die Pandemie hat in der Schweiz die Notwendigkeit eines digitalen Wandels im Gesundheitswesen offengelegt.
Eine Vielzahl von technologischen Lösungen steht uneinheitlichen Datensilos, fehlenden Zuständigkeiten und ineffizienten Organisationen gegenüber. Zudem steigen mit dem Einzug der Digitalisierung in das Spital auch zusehends die damit einhergehenden An- und Herausforderungen ihrer Anwendung im klinischen Alltag.
Was ist das ZHAW Digital Health Lab und das Projekt SHIFT?
Alfred Angerer
Die Dringlichkeit der Transformation zum Smarten Spital
Unser Schweizer Gesundheitswesen ist in Sachen Digitalisierung leider nicht dort, wo es sich befinden könnte.
Das ist nicht nur aus ökonomischer Sicht kritisch, wie es uns durch die wachsenden Gesundheitsausgaben jedes Jahr eindrücklich gezeigt wird. Es handelt sich vor allem aus Qualitätssicht um ein sehr grosses Problem. So wird aktuell noch mehr menschliches Leid als notwendig zugelassen, da wir noch mit analogen Prozessen agieren und entscheidende Daten nicht auswerten können. Entsprechend ist es eine zu priorisierende Aufgabe, sich für ein besseres, digitales und smartes System einzusetzen, der sich alle AkteurInnen im Gesundheitswesen stellen sollten.
Dieser Auftrag gilt selbstverständlich auch für die grössten AkteurInnen im Gesundheitssystem: unsere Spitäler. Damit ihr Wandel gelingt, muss Veränderungsenergie freigesetzt werden. Diese Lust am Wandel kann nur entstehen, wenn es Führungspersonen gelingt, eine positive Zielvision zu kreieren. Wie sieht das smarte Spital der Zukunft aus, in dem PatientInnen, Mitarbeitende und das Management gleichzeitig profitieren? Darauf sollten EntscheidungsträgerInnen im Spital eine klare Antwort haben.
Es ist jedoch keine leichte Aufgabe, diese Vision und die daraus abgeleitete digitale Strategie umzusetzen. PraktikerInnen stehen vor zu vielen Optionen. Es ist leicht, angesichts so vieler möglicher Pfade, den Überblick zu verlieren. Wo sollte die digitale Transformation des eigenen Spitals beginnen? Und wie schaut der Transformationspfad hin zu einem smarten Spital aus? Das Projekt SHIFT und die dazugehörige Wissensplattform, auf welcher Sie sich gerade befinden, haben sich entsprechend zum Ziel gesetzt, EntscheidungsträgerInnen bei der Erstellung und Umsetzung ihrer persönlichen Vision zu unterstützen. Dazu müssen Sie zunächst verstehen, wie Ihre momentane Ausgangslage ist.
Die Transformation: Stand Heute und mögliche Wege
Wie bereits erwähnt, hinken die Schweizer Spitäler auch nach der Corona Krise im Schnitt noch bei der Digitalisierung und bei der umfassenden Einführung neuer digitaler Technologien hinterher.
Dies beginnt bei der nahtlosen Automatisierung und Vereinfachung der internen Geschäftsprozesse und Abläufe und endet in noch nicht optimierten und vollständig digitalisierten Patient Journeys.
Neben einer fehlenden Vision und integrierte Digitalstrategie können die Gründe für den fehlenden Reifegrad vielfältig sein, wie z.B. folgende:
- Finanzen
- Fehlende finanzielle Mittel oder langfristige Finanzierungsmöglichkeiten
- Laufender Kostendruck und Investitionsrückstau von schon lang anstehenden Projekten
- Technik
- Technische Altlasten in den IT-Systemen und Sicherheitsbedenken
- Fehlen von integrativen Basistechnologien und Plattformen für das effiziente, vereinheitlichte Daten- und Applikationsmanagement
- Rahmenbedingungen
- Personal- und Ressourcenknappheit in der IT, aber auch in den Fachabteilungen
- Spezifische Regulatorien wie die Medizinprodukteverordnung (MepV) oder Datenschutz
- Fehlendes IT-Wissen und zu wenig Schulungen für das Gesundheitspersonal
Diese Herausforderungen paaren sich häufig mit ganz rudimentären operativen Herausforderungen dahingehend, dass die IT-Organisation zu beschäftigt ist, um die gegenwärtigen IT-Systeme und Applikationen am Laufen zu halten. Oder aber, dass sie punktuellen kurzfristigen Prioritäten der Geschäftsleitung und der Fachabteilungen nachzulaufen hat. Dazu kommen noch oft fragmentierte Entscheidungs-, Stakeholder- und BenutzerInnen-Gruppen, welche an einen Tisch gebracht werden und auch unterschiedlich bedient werden müssen.
Schlussendlich wird oft zu spät erkannt, dass es sich bei diesen Transformationsprojekten nicht um reine IT-Projekte handelt, sondern um grosse organisatorisch-technische Change-Projekte, in denen Menschen, Prozesse, Technologien, Daten und Regulatorien in Einklang gebracht werden müssen. Dies benötigt einiges an Erfahrung, Weitsicht und strategisch- konzeptuellen Fähigkeiten.
Um den digitalen Wandel im Spital weiter erfolgreicher und schneller vorantreiben zu können, benötigt es gewisse Fähigkeiten und Voraussetzungen. Diese sind unter anderem:
- Entwicklung einer integrierten Geschäfts und -Digital-Strategie mit Blick auf die Kern-Stakeholder, Patient- und Mitarbeitenden-Journey sowie die Anforderungen der betroffenen PartnerInnen.
- Vorantreiben von digitalem Leadership und Veränderung auf Basis der Strategie.
- Schaffung der dafür notwendigen Organisationsstrukturen, finanziellen Mittel und Freiräume.
- Implementierung einer technologischen Daten-, Integrations- und Applikationsplattform und Standards, welche die Grundlage (Tech-Foundation) für schnellere und kundenorientiertere Applikationsentwicklungen ermöglichen.
- Lernen mit Proof of Concepts, digitalen Schnellbooten, Open Innovation und kontinuierliche Anpassung und Verbesserung der Leistungsangebote.
Der konkrete Beitrag von SHIFT für Ihre Transformation
Mithilfe von drei übergeordneten Säulen und elf untereinander vernetzten Subprojekten werden im Rahmen von SHIFT Lösungen erarbeitet, die einerseits «smart» sind, weil sie bspw. künstliche Intelligenz einsetzen. Und andererseits «liquid», indem sie z.B. Sensorik verwenden, um PatientInnen auch jenseits der Spitalgrenzen barrierefrei zu versorgen.
Das Ziel von SHIFT ist es, integrierte technische und organisatorische Lösungen zur Steigerung der Qualität und Effizienz in den Spitälern zu entwickeln. Dabei werden die Bedürfnisse und Erlebnisse der Menschen in den Mittelpunkt gestellt – als PatientInnen, als Angehörige oder als Mitarbeitende. SHIFT liefert eine praktische, zur Nachahmung geeignete Blaupause für die Transformation zu einem «smart & liquid Hospital», also zu einem vernetzten, intelligenten Krankenhaus («smart»), das eine nahtlose Behandlung («liquid») auch jenseits der Spitalgrenzen ermöglicht. Zudem ermöglichen neue Managementansätze die digitale Innovation in der Klinik von der Idee bis zur Umsetzung. Die im Rahmen von SHIFT erarbeiteten Lösungen nehmen vor allem die Qualität der Gesundheitsversorgung in den Blick, bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz.
Die Herausforderung der Transformation sind vielschichtig und erfordern eine holistische und vernetzte Betrachtung. SHIFT schafft eine Daten- und Wissensplattform, die aufzeigt, wie die Transformation praktisch unter Berücksichtigung der Faktoren Mensch (M), Technologie (T) und der organisatorischen Prozesse (O) gelingen kann.
Säule B: Seamless Patient Path
SHIFT beschäftigt sich mit Frage wie Wearables-Technologie im Spital stationär und ambulant eingesetzt werden kann, um die Genesung von PatientInnen zu verfolgen und ihnen Bewegungsanreize zu setzen. Zudem werden Prozesse etabliert, um Versorgungslücken zu vermeiden, wenn die PatientInnen aus dem Spital nach Hause entlassen werden.
Säule C: Patient & Staff Empowerment
SHIFT beschäftigt sich ausserdem mit intelligenten Lösungen, um die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu erhöhen sowie PatientInnen selbständiger zu machen und auf diese Weise zu ermächtigen. Unter anderem geht es hier darum, wie PatientInnen mit Hilfe von Virtual Reality Companions zu einem besseren Selbstmanagement kommen können. Die Verbesserung interner Kapazitätsprozesse zur Reduktion der Leerlaufzeiten von MRI-Systemen mittels KI (Künstlicher Intelligenz) sind ebenso Gegenstand dieser Projektsäule. So soll es eine KI-basierte Software-Fabrik für MedTech-Anwendungen ermöglichen, nach dem Baukasten-System schneller technologische Lösungen im Spital entwickeln zu können.
Säule D: Management of Hospital Systems
SHIFT erarbeitet Ansätze für das intelligente Führen von vernetzten Spitälern. Das Silodenken der Mitarbeitenden wird mit einem Serious Game angegangen. Weiterhin werden evidenzbasierte Innovations-Toolkits entwickelt, um Entscheidungsträger im Innovationsprozess zu unterstützen. Darüber hinaus arbeiten die Teams an einer bedarfsorientierten, flexiblen Personalkapazitätssteuerung und an einem Methodenkoffer zur Quantifizierung von Gesundheitsleistungen.
Das konsolidierte Wissen aus diesen 3 Säulen wird im Verlauf des Projektes auf dieser Wissensplattform (Säule A) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. So sollen alle Interessierten von den Erkenntnissen profitieren. Wir laden alle ein, die sich auch auf die digitale Transformationsreise begeben wollen, uns zu kontaktieren um Erfahrungen auszutauschen.