FHIR im Gesundheitswesen: Grundlagen, Einsatz und Herausforderungen
Wissensdatenbank Technologie Integration & Interoperabilität A.1: Tech-FoundationDer digitale Austausch von Gesundheitsdaten ist nach wie vor mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, etwa durch fragmentierte IT-Systeme, fehlende Standards und unklare semantische Grundlagen. Der internationale Standard FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources) bietet ein technisches Rahmenwerk, das diese Probleme adressieren könnte. Der folgende Wissensbeitrag analysiert die Potenziale und Herausforderungen von FHIR und zeigt auf, wie eine schrittweise Implementierung zur besseren Nutzung von Gesundheitsdaten beitragen kann.
Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz
Die Interoperabilität im Gesundheitswesen ist eine zentrale Herausforderung, da viele Krankenhausinformationssysteme (KIS) proprietäre Schnittstellen nutzen und Daten oft nicht strukturiert oder standardisiert vorliegen. Dies erschwert den sektorenübergreifenden Austausch der Daten von Patient*innen und führt zu ineffizienten Arbeitsprozessen. Beispielsweise können Daten zwischen verschiedenen Spitälern nicht ohne manuelle Anpassungen übertragen werden, was Verzögerungen in der Behandlung verursacht (Vorisek et al., 2022).
Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR) ist ein von Health Level Seven International (HL7) entwickelter Standard für den digitalen Austausch von Gesundheitsinformationen (Fhir.org, 2025). FHIR basiert auf modularen „Ressourcen“, die Gesundheitsdaten in einer standardisierten, leicht zugänglichen und über Web-Technologien nutzbaren Form berücksichtigen (Saripalle et al., 2019). Durch die Verwendung von RESTful-APIs, JSON und XML ermöglicht FHIR einen flexiblen, schnellen und sicheren Datenaustausch zwischen verschiedenen Systemen im Gesundheitswesen (Ayaz et al., 2021).
Während Deutschland mit gesetzlichen Initiativen wie der elektronischen Patientenakte (ePA) und der Telematikinfrastruktur bereits umfassend auf FHIR setzt (ISiK | Gematik, 2025), wird FHIR in der Schweiz bisher nur begrenzt genutzt. Das elektronische Patientendossier (EPD) verwendet FHIR nicht als durchgängigen Standard, sondern nur für spezifische Anwendungen wie den elektronischen Impfausweis und Medikationspläne (eHealth Suisse, 2024). Dies deutet darauf hin, dass in der Schweiz weiterhin Potenzial für eine verbesserte Interoperabilität bestehen könnte.
FHIR adressiert mehrere Kernprobleme im Schweizer Gesundheitswesen. Viele Spitäler arbeiten mit fragmentierten IT-Systemen, die keinen nahtlosen Datenaustausch ermöglichen. Zudem erschwert die Vielfalt an Kodierungssystemen wie ICD-10, SNOMED CT oder LOINC eine einheitliche semantische Interoperabilität(Meredith et al., 2023). Die Infrastruktur stellt eine weitere Herausforderung dar, da viele Einrichtungen noch auf Altsystemen basieren, die schwer an moderne Standards angepasst werden können. Schliesslich bleibt die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und KI in der Schweiz hinter den Möglichkeiten zurück, obwohl Initiativen wie Digisanté eine stärkere Standardisierung und Nutzung interoperabler Plattformen fordern (BAG, 2024). Durch den Einsatz von FHIR können diese Probleme adressiert werden, indem eine standardisierte, flexible und interoperable Infrastruktur für den Datenaustausch geschaffen wird.
Methoden und Vorgehen im Projekt
Die Untersuchung basiert auf einer systematischen Analyse aktueller wissenschaftlicher Literatur, darunter mehrere Studien zur Implementierung und Nutzung von HL7 FHIR in verschiedenen Kontexten. Es wurden Best Practices, Herausforderungen und Potenziale des Standards erfasst und hinsichtlich ihrer Relevanz für das SHIFT Subprojekt A.1, die Tech-Foundation, ausgewertet.
Abbildung 1: Offene Plattformarchitektur mit FOXS-Stack-Komponenten, bestehend aus HL7 FHIR, openEHR, IHE XDS und SNOMED CT (Meredith et al. 2023)


Ergebnisse und Erkenntnisse
- Fragmentierte IT-Systeme und mangelnde Interoperabilität: Viele Spitäler in der Schweiz nutzen proprietäre Systeme, die eine nahtlose Kommunikation erschweren. FHIR setzt auf REST-APIs und standardisierte Ressourcen, um den Datenaustausch zu vereinfachen und die Integration unterschiedlicher Systeme zu ermöglichen (Nan & Xu, 2023).
- Unterschiedliche Datenformate und Kodierungssysteme: Die Vielfalt an Terminologien wie ICD-10, SNOMED CT oder LOINC erschwert die semantische Interoperabilität. Die Nutzung des FOXS-Stacks (FHIR, openEHR, XDS, SNOMED CT) könnte eine konsistente, interoperable Datenstruktur schaffen und den Austausch zwischen Einrichtungen erleichtern (Meredith et al., 2023)
- Altsysteme und technologische Infrastruktur: Viele Gesundheitseinrichtungen in der Schweiz arbeiten mit veralteten IT-Systemen, die nur schwer auf moderne Standards umgestellt werden können. In Deutschland ist FHIR bereits in nationale Programme integriert, was deren Verbreitung fördert (ISiK | Gematik, 2025).
- Schweizer Herausforderungen und Entwicklungspotenzial: Das EPD ist ein zentraler Bestandteil der digitalen Gesundheitsstrategie der Schweiz, wird jedoch bislang nur langsam implementiert (eHealth Suisse, 2024). Die Integration von FHIR könnte dazu beitragen, die Nutzung des EPD zu verbessern und es interoperabler mit bestehenden Systemen zu machen.
- Fehlende Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und KI: Die Verfügbarkeit und Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und KI-Anwendungen bleibt in der Schweiz hinter den Möglichkeiten zurück. Laut der Initiative Digisanté wird das Potenzial strukturierter und interoperabler Gesundheitsdaten nicht ausreichend ausgeschöpft (BAG, 2024).
Empfehlungen für die Praxis
- Interoperabilitätsstrategie definieren: Es wäre empfehlenswert, dass Gesundheitsorganisationen eine klare Strategie für die FHIR-Implementierung entwickeln, die bestehende Systeme berücksichtigt und schrittweise Interoperabilität aufbaut (Nan & Xu, 2023).
- Rahmenbedingungen für Interoperabilität weiterentwickeln: Um siloartige IT-Systeme zu vernetzen, sollten gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Verpflichtung zur Nutzung interoperabler Standards und die Homologisierung von Softwaresystemen vorsehen. Dies könnte die Integration von FHIR im Gesundheitswesen beschleunigen und die digitale Transformation unterstützen (eHealth Suisse, 2025)
- FHIR für Echtzeit-Datenverarbeitung nutzen: Die Nutzung von FHIR zur Echtzeit-Datenverarbeitung in Notfall- und Monitoring-Systemen kann die Versorgung von Patient*innen verbessern, insbesondere im Bereich der Internet of Medical Things (IoMT) (S. Rubí & L. Gondim, 2019).
- FOXS-Stack als ergänzende Lösung nutzen: Die Kombination von FHIR mit openEHR, IHE XDS und SNOMED CT könnte die semantische und strukturelle Interoperabilität stärken und einen flexibleren Datenaustausch ermöglichen (Meredith et al., 2023).
- Teilnahme an Interoperabilitäts-Tests wie dem Digital Health Projectathon fördern: Veranstaltungen wie der Digital Health Projectathon 2025 bieten eine Plattform zur praktischen Überprüfung und Weiterentwicklung von FHIR-Implementierungen. Die Teilnahme ermöglicht es, Systeme auf Interoperabilität zu testen und die technische Integration zu verbessern (Digital Health Projectathon 2025 - Test-Event, 2025).
- Optimierte Nutzung von Gesundheitsdaten und KI-Anwendungen: Eine stärkere Standardisierung sowie der gezielte Einsatz von FHIR könnten den Austausch und die Verarbeitung großer Datenmengen erleichtern. Dies könnte insbesondere Forschungsbereiche wie prädiktive Analysen, personalisierte Medizin und klinische Entscheidungsunterstützung voranbringen. Die Kombination von FHIR mit Big Data-Technologien und KI-Modellen kann dazu beitragen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und Innovationen im Gesundheitswesen zu fördern (BAG, 2024).
Literatur und andere Quellen
Ayaz, M., Pasha, M. F., Alzahrani, M. Y., Budiarto, R., & Stiawan, D. (2021). The Fast Health Interoperability Resources (FHIR) Standard: Systematic Literature Review of Implementations, Applications, Challenges and Opportunities. JMIR Medical Informatics, 9(7), e21929. doi.org/10.2196/21929
BAG, B. für G. (2024, June 12). DigiSanté: Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/nat-gesundheitspolitik/foerderprogramme/DigiSant--F-rderung-der-digitalen-Transformation-im-Gesundheitswesen/medienmitteilung-ueberweisung-finanzierungskredit-digisante.pdf.download.pdf/Bundesrat%20will%20mit%20DigiSant%C3%A9%20die%20Digitalisierung%20im%20Gesundheitswesen%20beschleunigen.pdf
Digital Health Projectathon 2025—Test-Event. (2025). www.e-health-suisse.ch
eHealth Suisse. (2024, July 3). eHealth Suisse. www.e-health-suisse.ch
eHealth Suisse. (2025). Strategische Grundlagen—Mensch im Mittelpunkt. www.e-health-suisse.ch
Fhir.org. (2025, March 13). FHIR. fhir.org/about.html
ISiK | gematik. (2025, March 13). www.gematik.de/anwendungen/isik
Meredith, J., Whitehead, N., & Dacey, M. (2023). Aligning Semantic Interoperability Frameworks with the FOXS Stack for FAIR Health Data. Methods of Information in Medicine, 62(Suppl 1), e39–e46. doi.org/10.1055/a-1993-8036
Nan, J., & Xu, L.-Q. (2023). Designing Interoperable Health Care Services Based on Fast Healthcare Interoperability Resources: Literature Review. JMIR Medical Informatics, 11, e44842. doi.org/10.2196/44842
S. Rubí, J. N., & L. Gondim, P. R. (2019). IoMT Platform for Pervasive Healthcare Data Aggregation, Processing, and Sharing Based on OneM2M and OpenEHR. Sensors (Basel, Switzerland), 19(19), 4283. doi.org/10.3390/s19194283
Saripalle, R., Runyan, C., & Russell, M. (2019). Using HL7 FHIR to achieve interoperability in patient health record. Journal of Biomedical Informatics, 94, 103188. doi.org/10.1016/j.jbi.2019.103188
Vorisek, C. N., Lehne, M., Klopfenstein, S. A. I., Mayer, P. J., Bartschke, A., Haese, T., & Thun, S. (2022). Fast Healthcare Interoperability Resources (FHIR) for Interoperability in Health Research: Systematic Review. JMIR Medical Informatics, 10(7), e35724. doi.org/10.2196/35724
Zitierung des Beitrags
Pimentel, Tibor & Russ, Christian (2025). FHIR im Gesundheitswesen: Grundlagen, Einsatz und Herausforderungen. Wissensbeitrag A.1 (Nr. 4).