Die Rolle der Kultur für das Gelingen der digitalen Transformation
Wissensdatenbank Organisation Führung & Kultur Mensch Personalgewinnung & -bindung Arbeitsbelastung & Wohlbefinden Schulung & Digitale Kompetenz D.1: Intelligentes Führen von vernetzten Spitälern - Ein digitales SimulationsspielDigitale Transformation ist weit mehr als die Einführung neuer Technologien. Insbesondere im Gesundheitswesen, wo Prozesse starr organisiert und hierarchisch sind, kann eine erfolgreiche Digitalisierung nur gelingen, wenn sie von einer passenden Unternehmenskultur getragen wird.
Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz
Die digitale Transformation ist längst kein Zukunftsthema mehr, sondern eine zentrale Herausforderung für Organisationen in nahezu allen Branchen. Besonders im Gesundheitswesen, das stark reguliert, komplex und historisch gewachsen ist, stellt die Einführung neuer digitaler Technologien eine tiefgreifende Veränderung dar.
Während der Fokus oft auf technologischen Lösungen liegt, zeigt sich in der Praxis, dass der kulturelle Wandel innerhalb der Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine gelungene digitale Transformation ist.
Eingespielte Arbeitsweisen, hierarchische Strukturen und fehlende digitale Kompetenzen hemmen die Implementierung neuer Systeme. Im Gesundheitswesen sind verschiedene Berufsgruppen mit unterschiedlichen Erwartungen und Arbeitsweisen involviert, was die Akzeptanz und Integration digitaler Prozesse zusätzlich erschwert. Dieser Wissensartikel geht entsprechend der Frage nach, wie die Unternehmenskultur dazu beitragen kann, dass digitale Transformationsprozesse im Gesundheitswesen erfolgreich umgesetzt werden können.
Die digitale Transformation im Gesundheitswesen bietet enormes Potenzial, Prozesse zu optimieren, Organisationen zu professionalisieren und letztlich die Patient:innenversorgung zu verbessern. Doch ohne die richtige kulturelle Grundlage bleiben viele dieser Potenziale ungenutzt. Daher ist es von zentraler Bedeutung, nicht nur technische Lösungen zu entwickeln, sondern auch die kulturellen Rahmenbedingungen dafür aktiv zu gestalten.
Methoden und Vorgehen im Projekt
Die Erkenntnisse für diesen Wissensartikel basieren auf Experteninterviews mit Gabriela Kern (Director, Government & Healthcare KPMG Switzerland) und Christoph Marschner (Director, Digital Transformation KPMG Switzerland), die Einblicke in das Zusammenspiel zwischen der Unternehmenskultur und digitalen Transformationsprozessen im Gesundheitswesen aus ihren Projekterfahrungen teilen.


- Gabriela Kern ist seit über zehn Jahren als Unternehmensberaterin für Organisationen im Gesundheitswesen zu unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Fragestellungen tätig und auf den Bereich Change-Management spezialisiert.
- Christoph Marschner hat mehr als 15 Jahre Erfahrung in der IT- und Digitalisierungsberatung von Kunden aus verschiedenen Sektoren und fokussiert sich seit mehreren Jahren auf Klienten im Schweizer Gesundheitswesen.
Die Interviews beleuchten sowohl strategische als auch praktische Perspektiven auf die Kultur im Rahmen von digitalen Transformationen.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Die digitale Transformation ist weit mehr als nur die Einführung neuer Technologien. Sie verändert grundlegend die Denk- und Arbeitsweisen der Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit zwischen Teams und die Interaktion mit Patient:innen.
Digitale Tools ermöglichen neue Formen der Kollaboration und schaffen mehr Handlungsspielraum für Mitarbeitende und Patient:innen. Gleichzeitig verändern sie bestehende Strukturen, lösen Systemgrenzen auf und können sogar Machtverhältnisse innerhalb von Organisationen verschieben. Solche tiefgreifenden Veränderungen fordern eine umfassende interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten und wirken sich immer auch auf die Unternehmenskultur aus.
«Transformationen, egal ob digital oder in einem anderen Kontext, sind immer Kulturveränderungen» - Gabriela Kern
Damit eine digitale Transformation gelingt, ist eine richtige Unternehmenskultur deshalb entscheidend. Organisationen sollten sich frühzeitig die Frage stellen, wie bereit sie für Veränderungen sind. Ein zentraler Aspekt ist die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden: Besteht bereits ein digitales Mindset? Können sich verschiedene Berufsgruppen flexibel auf neue Tools und Zusammenarbeitsformen einstellen? Wie gross sind die Unterschiede in der Akzeptanz digitaler Technologien zwischen einzelnen Fachbereichen? Solche Fragen müssen im Vorfeld geklärt werden, um gezielt (kulturelle) Massnahmen zu ergreifen.
«Insbesondere auch das Silodenken verhindert Priorisierungen im Rahmen der digitalen Transformation von Leistungserbringern. Um gezielt zu priorisieren, braucht es eine gewisse Akzeptanz, seine eigenen Ziele hintenanzustellen und die Ziele der Organisation zu unterstützen.» - Christoph Marschner
Ein überzeugender „Case for Change“ ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in dieser Phase. Die Notwendigkeit der Transformation muss klar vermittelt und von den Mitarbeitenden verstanden werden, damit sie sich an der Transformation aktiv beteiligen und die Möglichkeit der Mitgestaltung nutzen. . Schulungen und andere gezielte Interventionen helfen, Unsicherheiten abzubauen und Mitarbeitende zu befähigen, die neuen digitalen Prozesse effektiv zu nutzen.
«Eine Kulturveränderung darf nicht als Selbstzweck gesehen werden, sondern muss klar auf die Businessziele einer Organisation ausgerichtet sein und diese unterstützen.» - Gabriela Kern
Organisationen, die frühzeitig im Transformationsprozess Fehler zulassen und diese als Lernchancen begreifen, schaffen eine Umgebung, in der neue Arbeitsweisen erfolgreich etabliert werden können. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ebenfalls ein entscheidender Faktor, denn die Transformation betrifft nicht nur einzelne Abteilungen, sondern das gesamte System – von medizinischem Personal über Verwaltung bis hin zu externen Partnern und den Patient:innen. Dies zeigt sich besonders bei der Einführung neuer Kernsysteme, wie Klinikinformationssystemen, wo eine enge Kooperation zwischen den Fachabteilungen und externen Partnern notwendig ist, um eine reibungslose Implementierung zu gewährleisten. Ein erfolgreicher Wandel setzt voraus, dass verschiedene Anspruchsgruppen aktiv eingebunden werden und Prozesse über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinweg neu gedacht werden.
«Der Erfolg eines unserer Projekte zur Implementierung eines neuen Klinikinformationssystems hängte massgebend von der Akzeptanzförderung über den starken und frühen Einbezug der Fachabteilungen sowie der transparenten Kommunikation über Fortschritt und Erfolge ab. Dadurch wurde Akzeptanz geschaffen und die Transformation schlussendlich auch federführend durch die Fachabteilungen vorangetrieben und unterstützt.» - Christoph Marschner
Die Rolle des Managements ist dabei zentral. Es braucht einen passenden «Tone at the Top», im Sinne eines passenden Narrativs, um zum Schluss über das Management eine Akzeptanz in der Organisation herbeizuführen. Führungskräfte müssen hierfür als Vorbilder agieren, Überzeugungsarbeit leisten und Mitarbeitende motivieren. Es reicht nicht aus, die digitale Transformation nur strategisch zu unterstützen – sie muss aktiv vorgelebt werden. Die Herbeiführung einer passenden Kultur ist jedoch ein kontinuierlicher Prozess, der parallel zur technologischen Transformation geschieht. Ein Beispiel aus einem Projekt zeigt, dass digitale Prozesse, wie das elektronische Verschreiben von Medikamenten, die Zusammenarbeit und Abläufe in einer Klinik fundamental verändern. Wo früher handschriftliche Notizen und persönliche Interaktion dominierten, übernehmen nun digitale Systeme zentrale Aufgaben. Dies erfordert eine Anpassung der Arbeitsweisen und bringt automatisch eine kulturelle Veränderung mit sich.
«Letztendlich ist eine digitale Transformation erst dann nachhaltig, wenn sie dauerhaft in der Unternehmenskultur verankert ist.» - Gabriela Kern
Die Akzeptanz neuer Technologien und Arbeitsweisen muss somit nicht nur während der Implementierung, sondern auch langfristig gefördert werden. Wenn eine Organisation es schafft, eine innovationsfreundliche Kultur zu etablieren, die kontinuierliches Lernen und Adaptieren unterstützt, kann die digitale Transformation langfristig erfolgreich sein.
Empfehlungen für die Praxis
Aus den Projekterfahrungen der/des KPMG-Experten:in können folgende Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden:
- Einen überzeugenden „Case for Change“ schaffen: Die Notwendigkeit der Transformation muss klar kommuniziert werden. Zentrale Fragen wie „Warum ist die Veränderung nötig?“, „Wie sieht die Zukunft aus?“ und „Welche Vorteile ergeben sich für verschiedene Berufsgruppen?“ sollten frühzeitig beantwortet werden, um Akzeptanz und Motivation zu fördern.
- Förderung des Dialogs: Organisationen sollten gezielt Dialogformate schaffen, um die digitale Transformation aktiv zu begleiten. Dies lässt eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen, welche wiederum Veränderungen erleichtern kann.
- Führungskräfte als Kulturträger etablieren: Führungspersonen müssen digitale Transformation aktiv vorleben, indem sie Offenheit, Agilität und Innovationsbereitschaft demonstrieren. Da dies nicht immer selbstverständlich ist, sollten sie gezielt unterstützt und weiterentwickelt werden.
- Kultur messbar machen und gezielt weiterentwickeln: Eine erfolgreiche Transformation erfordert ein klares Verständnis der bestehenden Unternehmenskultur. Regelmässige Umfragen, Interviews und Beobachtungen helfen Schwachstellen zu identifizieren und gezielt Optimierungsmassnahmen zu ergreifen.
- Lernmöglichkeiten bieten: Digitale Transformation gelingt nur, wenn Mitarbeitende über die nötigen digitalen Kompetenzen verfügen. Mitarbeitende sollen aktiv dabei unterstützt werden, sich mit neuen Technologien und Prozessen vertraut zu machen, um Unsicherheiten abzubauen und Fähigkeiten zu stärken.
- Managementsysteme und Strukturen anpassen: Neue Prozesse und Arbeitsweisen müssen durch passende organisatorische Rahmenbedingungen unterstützt werden. Anreizsysteme, Hierarchien und Verantwortlichkeiten sollten so weiterentwickelt werden, dass sie den digitalen Wandel begünstigen und eine nachhaltige Transformation ermöglichen.
Literatur und andere Quellen
Zitierung des Beitrags
Ein Beitrag zum Thema "Die richtige Kultur für das Gelingen der digitalen Transformation".