Wie nutze ich den D.4 Methodenkoffer?
Wissensdatenbank Organisation Strukturen & Prozesse Datenmanagement & Digitalisierung Arbeitsbelastung & Wohlbefinden Schulung & Digitale Kompetenz D.4: Methodenkoffer zur Quantifizierung des Prozesspotentials von Digital Health ToolsDer D.4 Methodenkoffer unterstützt Spitäler und Digital Health Tools Anbieter dabei, den Nutzen digitaler Gesundheitslösungen praxisnah, strukturiert und evidenzbasiert zu bewerten – mit einem Set leicht adaptierbarer Werkzeuge.
Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz
Digitale Gesundheitslösungen versprechen Effizienz, bessere Versorgung und höhere Zufriedenheit. Doch: Wie lässt sich ihr tatsächlicher Nutzen messbar machen?
Gerade in einem komplexen Umfeld wie dem Spitalbetrieb fehlt oft eine systematische Vorgehensweise zur Bewertung des konkreten Mehrwerts. Entscheidungen für oder gegen eine digitale Lösung werden deshalb nicht selten aus dem Bauch heraus getroffen oder bedürfen langer Entscheidungswege – was Akzeptanz, Finanzierung und Skalierbarkeit erschwert.
Der D.4 Methodenkoffer, entwickelt im Rahmen des Projekts SHIFT, liefert eine praxistaugliche Antwort: Er bietet strukturierte Methoden zur Nutzenanalyse, die von Spitälern wie auch von Digital Health Tools Anbietern angewendet werden können – um gemeinsam fundierte, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Die zentrale Fragestellung lautet: „Wie können Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen so evaluiert werden, dass ihr Nutzen auf Prozessebene sichtbar und nachvollziehbar wird?“
Methoden und Vorgehen im Projekt
Basierend auf den im Projekt gewonnenen Erkenntnisse aus Experteninterviews, Literaturrecherche und Pilotstudien wurde der D.4-Methodenkoffer entwickelt. Die Hauptdimensionen zur Verortung der verschiedenen Werkzeuge bilden zum einen eine generische Sicht auf einen stationären Prozess eines Spitals (Planung Aufenthalt – Aufnahme/Eintritt – Behandlung – Verlegung/Austritt), und andererseits die drei KPIs Effizienz, Qualität und Zufriedenheit. In dieser Matrix sind aktuell 12 Kriterien resp. Werkzeuge zur Nutzenanalyseverortet, bestehend aus einer Anleitung und dazugehörenden Vorlagen. Die Anleitungen enthalten eine Kurzbeschreibung des jeweiligen Werkzeuges resp. Kriteriums, Berechnungsgrundlagen, eine Beschreibung des Vorgehens, notwendige Ressourcen, Hilfsmittel sowie Tipps und Tricks. Die Vorlagen sind so gestaltet, dass sie eine Grundstruktur zur Durchführung und Auswertung von Nutzenquantifizierungen bieten, jedoch auf den individuellen Kontext des jeweiligen Anwenders angepasst werden können. Der Methodenkoffer bietet somit flexibel einsetzbare Werkzeuge und Ansätze. Die aufgeführten Kriterien und Anleitungen dienen als Orientierung und Beispiele, sind jedoch nicht abschliessend. Prüfen und passen Sie diese an Ihre spezifische Situation und Institution an.
Der D.4 Methodenkoffer wurde entwickelt, um den Nutzen von Digital Health Tools systematisch zu analysieren und messbar zu machen. Dabei konzentriert er sich auf digitale Technologien, die in die Kategorie Tier A des NICE Evidence Standards Framework (ESF) fallen. Diese Kategorie umfasst digitale Gesundheitslösungen, die darauf abzielen, Prozesseffizienz zu steigern, Kosten zu sparen oder Zeit für das Personal freizusetzen, ohne direkte Auswirkungen auf PatientInnen, Gesundheit oder Pflege/Behandlung zu haben. Es ist wichtig zu beachten, dass der Methodenkoffer nicht für die Evaluation von Digital Health Tools geeignet ist, die in andere Kategorien des NICE ESF fallen, insbesondere solche mit direkten Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Die Anwendung des Methodenkoffers sollte daher auf entsprechende Tools beschränkt bleiben, um valide und relevante Ergebnisse zu gewährleisten.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Der Methodenkoffer kann sowohl durch ein Spital wie einen Digital Health Tool Anbieter genutzt werden.
Als Spital:
Die Anwendung des D.4 Methodenkoffers im Spital erfolgt schrittweise und praxisnah. Am Beispiel der Einführung eines Tools zur Online-Terminvergabe (als Ersatz für telefonische Terminvereinbarung) ergibt sich folgendes Vorgehen:
- Prozess identifizieren: Wählen Sie den konkreten Prozessschritt aus, den das Tool betrifft – z. B. „Planung Aufenthalt“.
- Relevante Dimension festlegen: Entscheiden Sie, welchen Aspekt Sie messen möchten: Effizienz, Qualität oder Zufriedenheit. → Im Beispiel: Effizienz (Fokus auf Zeit- und Kosteneinsparungen).
- Passende Anleitung auswählen: Wählen Sie aus der gewählten Dimension die passende Bewertungsvorlage. → Im Beispiel: „Berechnung der administrativen Prozesskosten Patientenanmeldung“.
- Anleitung und Vorlagen anpassen: Übertragen Sie die gewählte Anleitung in Ihre Umgebung. Nutzen Sie die Vorlagen „Prozessbeobachtung“ und „Auswertung Prozessbeobachtung“ und passen Sie diese an Ihre konkreten Abläufe an.
- Umsetzung starten: Sobald die Instrumente angepasst sind, können Sie mit der Erhebung, Auswertung und Nutzenbewertung beginnen.
Als Digital Health Tool Anbieter:
Der D.4 Methodenkoffer unterstützt Digital Health Tool Anbieter dabei, den Nutzen ihres Produkts strukturiert aufzuzeigen und Spitäler gezielt anzusprechen. Das Vorgehen umfasst:
- Relevante Prozessschritte identifizieren: Bestimmen Sie, an welchen Stellen im Spitalprozess Ihr Tool konkret ansetzt.
- Datengrundlage schaffen: Nutzen Sie vorhandene Daten oder erheben Sie gemeinsam mit einem Spital neue Daten mithilfe des Methodenkoffers.
- Rechenlogik entwickeln: Erarbeiten Sie eine Nutzenberechnung, abgestimmt auf Ihr Tool – als Basis für ein Fast-Assessment Tool.
- Tool testen: Prüfen Sie Ihre Nutzenabschätzung in der Praxis.
- Nutzen prognostizieren: Verwenden Sie Ihr Fast-Assessment Tool in Gesprächen mit Gesundheitsdienstleistern, um den potenziellen Mehrwert rasch und nachvollziehbar darzustellen.
Beispiel: Das Fast-Assessment Tool von heyPatient, entwickelt im Rahmen des SHIFT-D.4 Subprojektes.
Empfehlungen für die Praxis
Für die Nutzung des Methodenkoffers lassen sich je nach Nutzergruppe folgende Empfehlungen ableiten:
Als Spital:
- Starten Sie mit einem klar definierten Prozessschritt: Wählen Sie einen eng umrissenen, praxisrelevanten Bereich (z. B. "Planung Aufenthalt"), um konkrete Potenziale sichtbar zu machen.
- Fokussieren Sie sich auf eine relevante Bewertungsperspektive: Entscheiden Sie sich z. B. für Effizienz, wenn Sie Ressourcen oder Zeit einsparen möchten – anstelle gleich mehrere Dimensionen gleichzeitig zu bewerten.
- Nutzen Sie die Vorlagen des Methodenkoffers, aber passen Sie sie an: Die Anleitungen (z. B. „Berechnung der administrativen Prozesskosten“) sind Beispiele – sie sollten auf Ihre tatsächlichen Abläufe und Begriffe zugeschnitten werden.
- Schaffen Sie interdisziplinäre Zusammenarbeit: Binden Sie IT, Administration, Pflege und medizinisches Fachpersonal gemeinsam ein – das verbessert Datenqualität und Akzeptanz.
Als Digital Health Tool Anbieter:
- Wählen Sie gezielt den Prozess, den Ihr Tool adressiert: Definieren Sie klar, wo Ihr Tool im Spitalprozess eingreift – das erleichtert die Nutzenkommunikation.
- Schaffen Sie belastbare Datengrundlagen: Arbeiten Sie mit einem Spital zusammen oder nutzen Sie vorhandene Daten, um reale Potenziale zu quantifizieren.
- Erstellen Sie ein einfaches Fast-Assessment Tool: Entwickeln Sie eine standardisierte Rechenlogik, mit der Sie Ihren Nutzen (z. B. Zeitersparnis) schnell darstellen können – wie das Beispiel von heyPatient.
- Testen Sie Ihr Fast-Assessment Tool vor dem Einsatz: So stellen Sie sicher, dass es verständlich, überzeugend und realitätsnah ist – idealerweise anhand realer Prozessdaten.
- Setzen Sie das Tool strategisch in Kundengesprächen ein: Nutzen Sie es als Gesprächsgrundlage mit Spitälern, um von Beginn an konkrete, datengestützte Nutzenversprechen zu machen.
- Nutzen Sie die gemeinsame Sprache mit Spitälern: Durch die Anwendung des Methodenkoffers sprechen Sie dieselbe methodische Sprache wie potenzielle Gesundheitsdienstleister – das erleichtert Kooperation.
Literatur und andere Quellen
National Institute for Health and Care Excellence (NICE). (n.d.). Evidence standards framework for digital health technologies: Section B – Classification of digital health technologies. Abgerufen von https://www.nice.org.uk/corporate/ecd7/chapter/section-b-classification-of-digital-health-technologies
Zitierung des Beitrags
Der Beitrag als Anleitung zur Nutzung des D.4 Methodenkoffers.