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Telemedizin im Rahmen von Hospital@Home

Wissensdatenbank Organisation Strukturen & Prozesse Technologie Datenmanagement & Digitalisierung Integration & Interoperabilität Mensch Patient*innenzentrierung B.3: Hospital @ Home - reibungsloser Übertritt von PatientInnen aus dem Spital nach Hause durch den Einsatz von Telemedizin und Technologie

Das Konzept „Hospital at Home“ (H@H) bietet eine Möglichkeit, um den bestehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen zu begegnen. Es ermöglicht die Betreuung von Patient:innen in ihrem eigenen Zuhause, oft unterstützt durch innovative Telemedizin-Technologien. Doch wie effektiv ist dieses H@H-Konzept wirklich? Dieser Bericht zeigt, welche Methoden in der SHIFT-Pilotstudie «Hospital@Home» kombiniert wurden, um umfassende und evidenzbasierte Erkenntnisse über die Rolle der Telemedizin im H@H-Modell zu gewinnen, und präsentiert erste Empfehlungen für die Praxis, die darauf abzielen, die Vorteile der Telemedizin im Rahmen von H@H nachhaltig zu nutzen.

Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz

Die Gesundheitsversorgung steht weltweit vor enormen Herausforderungen. Eine alternde Bevölkerung, die steigende Inzidenz chronischer Erkrankungen und der Mangel an Ressourcen machen es notwendig, innovative Lösungen zu finden. Traditionelle stationäre Behandlungen sind oft nicht nur kostspielig, sondern auch unpraktisch für viele Patient:innen, insbesondere für ältere Menschen oder solche mit Mobilitätseinschränkungen. H@H ist ein Konzept, das darauf abzielt, Patient:innen in ihrem eigenen Zuhause zu versorgen, was sowohl den Komfort als auch die Lebensqualität der Patient:innen verbessert. Zudem kann es dazu beitragen, häufige Komplikationen, wie z. B. ein Delir, durch die vertraute häusliche Umgebung zu vermeiden. Ein entscheidender Bestandteil dieses Modells ist die Telemedizin, die es ermöglicht, medizinische Dienstleistungen über digitale Kommunikationsmittel anzubieten. Unter Telemedizin versteht man medizinische Behandlungen, bei denen die Interaktion zwischen ärztlichem Personal und Patient:innen sowie unter mehreren Ärzt:innen, ohne unmittelbaren physischen Kontakt erfolgt und die Kommunikation über Informations- und Kommunikationstechnologien stattfindet  [1].

Ein Beispiel für erfolgreiche Telemedizin im ambulanten Versorgungssektor ist Medgate. Seit über 20 Jahren bietet Medgate in der Schweiz telemedizinische Dienstleistungen an und hat sich als führender Anbieter auf diesem Gebiet etabliert. Medgate betreut mit rund 150 Ärzt:innen täglich durchschnittlich 1500 Patient:innen bei medizinischen Anliegen und ermöglicht ihnen schnell und unkompliziert Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Beratung und Behandlung. Dabei wird ein breites Spektrum an medizinischen Fragestellungen abgedeckt – von akuten Gesundheitsproblemen bis hin zu Fragen des Gesundheitsverhaltens [2]. So können kostspielige Spital- und Arztbesuche vermieden [3] und Patient:innen mit erhöhtem gesundheitlichem Risiko rechtzeitig identifiziert werden [2].

Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Kommunikation dar: Da Ärzt:innen ihre Patient:innen nicht immer sehen können (Telefon, Chat), müssen sie gezielt nach Symptomen und Zusammenhängen fragen, die ihnen nicht visuell zugänglich sind. Die Herausforderung liegt dabei darin, sich einerseits auf die medizinische Fragestellung zu fokussieren und andererseits den Patienten in seiner Komplexität zu begreifen [4]. Durch gezielte Anamneseerhebung und symptomorientierte Befragung können gesundheitliche Probleme eingeordnet, Dringlichkeiten erkannt und Empfehlungen für das weitere Vorgehen gegeben werden. Zur besseren Einschätzung des Gesundheitszustands können Patient:innen den Medgate Ärzt:innen zudem ergänzende Informationen wie Bilder, Videos oder Sprachnachrichten zukommen lassen [4]. In ca. 50% der Fälle können die Medgate Ärzt:innen die Konsultationen vollständig telefonisch abschliessen – vorausgesetzt, es sind keine zusätzlichen Untersuchungen oder Laborwerte erforderlich [4].

Es kann jedoch sein, dass sich Patient:innen ohne vorherige Erfahrung mit Telemedizin unsicher fühlen – und beispielsweise in Frage stellen, ob sie die gleiche Versorgungsqualität erhalten, wie es bei einem physischen Gespräch mit medizinischem Fachpersonal der Fall wäre. Auch technische Barrieren wie der Zugang zu Internet und digitalen Geräten stellen Herausforderungen dar. Die Frage, wo Telemedizin tatsächlich eine Verbesserung der Patient:innenversorgung bietet, ist daher von zentraler Bedeutung. Es ist wichtig, die potenziellen Vorteile und Herausforderungen der Telemedizin zu verstehen, um informierte Entscheidungen über ihre Implementierung im Rahmen von H@H zu treffen.

Zudem ist es notwendig, die Perspektiven verschiedener Stakeholder – einschliesslich Patient:innen und medizinischem Fachpersonal – zu berücksichtigen, um ein umfassendes Bild der Auswirkungen der Telemedizin auf die Gesundheitsversorgung zu erhalten und eine lückenlose Implementierung zu gewährleisten. Nur durch eine fundierte Analyse kann sichergestellt werden, dass Telemedizin nicht nur eine vorübergehende Lösung, sondern ein nachhaltiger Bestandteil der zukünftigen Patient:innenversorgung wird.

Methoden und Vorgehen im Projekt

Die SHIFT-Pilotstudie«Hospital@Home» verfolgt einen multimethodalen Ansatz, um die Implementierung und Auswirkungen von Telemedizin im Rahmen von H@H zu analysieren. Die Methoden umfassen:

  1. Quantitative Patientenbefragungen: Diese erfassen die Zufriedenheit, die Erfahrungen und die wahrgenommene Qualität der Versorgung durch Telemedizin. Die Befragungen werden vor und nach der Implementierung durchgeführt, um Veränderungen zu messen.
  2. Klinische Datenanalyse: Hierbei werden medizinische Daten der Patient:innen analysiert, um die Ergebnisse der H@H-Telemedizin-Begleitung als Behandlungsansatz zu bewerten. Dies umfasst die Krankenhausaufenthalte, Notfallbesuche und die allgemeine Gesundheitsentwicklung der Patient:innen.
  3. Befragungen von Fachpersonal: Die Angaben von Gesundheitsdienstleistern wie Spitalärzt:innen, Telemediziner:innen und Hausärzt:innen helfen, deren Perspektiven und Erfahrungen mit der Nutzung von Telemedizin zu verstehen und bieten Einblicke in Herausforderungen und Erfolge bei der Implementierung.
  4. Fallstudien: Ausgewählte Patient:innenfälle werden detailliert untersucht, um spezifische Ergebnisse und Erfahrungen zu dokumentieren und um die Patient:innenpopulation zu identifizieren, die sich am besten für eine H@H-Telemedizin-Begleitung eignet.

Durch die Kombination dieser Methoden zielt die SHIFT-Studie darauf ab, umfassende und evidenzbasierte Erkenntnisse über die Rolle der Telemedizin im H@H-Modell zu gewinnen.

Ergebnisse und Erkenntnisse

Bereits erfolgte Studien haben vielversprechende Ergebnisse geliefert, die die Vorteile der Telemedizin im Rahmen von H@H beleuchten [5]. Eine Studie von Eron et al. zeigte beispielsweise, dass Patient:innen, die mittels Telemedizin behandelt wurden, zufriedenstellende klinische Ergebnisse erzielten und sich schneller erholten als vergleichbare hospitalisierte Patient:innen. Darüber hinaus führte die telemedizinische Versorgung zu Hause zu erheblichen Kosteneinsparungen, da Krankenhausaufenthalte vermieden oder verkürzt werden konnten [6]. In ähnlicher Weise belegte eine Studie von Zychlinski et al., dass die Versorgung akut erkrankter Patient:innen im Rahmen eines telemedizinisch gestützten H@H-Modells das Potenzial hat, die Dauer von Krankenhausaufenthalten zu reduzieren, ohne das Risiko von Wiederaufnahmen zu erhöhen. Zudem konnte gleichzeitig die 30-Tage-Sterblichkeitsrate gesenkt werden [7].

Aufbauend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen evaluiert die Pilotstudie "Hospital@Home", welche im Rahmen des Innosuisse-Flagship-Projekts SHIFT in der Schweiz durchgeführt wird, wie Telemedizin optimal in die bestehenden Gesundheitssysteme integriert werden kann. In einer Machbarkeitsstudie werden dabei die oben genannten Methoden eingesetzt, um die Effizienz und Qualität der Patientenversorgung weiter zu verbessern und innovative Ansätze im Bereich H@H zu fördern. Die Resultate der Studie dazu werden bald auf diesem Kanal veröffentlicht.

Empfehlungen für die Praxis

Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen der SHIFT-Studie können folgende Empfehlungen für die Praxis ausgesprochen werden:

  • Integration von Telemedizin: Gesundheitseinrichtungen sollten Telemedizin als festen Bestandteil ihrer Dienstleistungen implementieren, um die Patient:innenversorgung zu verbessern.
  • Technologische Infrastruktur: Investitionen in die notwendige Technologie und Infrastruktur sind entscheidend, um eine reibungslose Kommunikation zwischen Patient:innen und Fachpersonal zu gewährleisten.
  • Schulungen für Fachpersonal: Regelmäßige Schulungen für Ärzt:innen und Pflegekräfte sollten angeboten werden, um die Nutzung von Telemedizin zu optimieren und Sicherheit im Umgang mit digitalen Tools zu fördern.
  • Aufklärung der Patient:innen: Informationskampagnen sollten gestartet werden, um Patient:innen über die Möglichkeiten und Grenzen der Telemedizin aufzuklären und Bedenken auszuräumen.
  • Datenschutz und Sicherheit: Es müssen strenge Datenschutzrichtlinien etabliert werden, um das Vertrauen der Patient:innen in telemedizinische Dienstleistungen zu sichern.
  • Evaluation und Anpassung: Regelmäßige Evaluierungen der Telemedizin-Dienste sollten durchgeführt werden, um kontinuierliche Verbesserungen und Anpassungen an die Bedürfnisse der Patient:innen sicherzustellen.

Diese Empfehlungen zielen darauf ab, die Vorteile der Telemedizin im Rahmen von H@H nachhaltig zu nutzen und die Qualität der Gesundheitsversorgung zu steigern.

Literatur und andere Quellen

1.           Denz MD (2015) Telemedizin in der Schweiz. Therapeutische Umschau 72:581–585. doi.org/10.1024/0040-5930/a000722

2.           Blozik E, Wildeisen IE, Fueglistaler P, Von Overbeck J (2012) Telemedicine can help to ensure that patients receive timely medical care. J Telemed Telecare 18:119–121. doi.org/10.1258/jtt.2011.110812

3.           Von Gossler C, Klauser C (2017) Telemedizin in der Schweiz – das Beispiel Medgate. Dtsch med Wochenschr 142:334–339. doi.org/10.1055/s-0042-111357

4.           (2018) Interview mit Dr. med. Andy Fischer, CEO von Medgate – “Telemedizin stellt in der Schweiz keine Konkurrenz zu den Hausärzten dar, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung.” Gesundh ökon Qual manag 23:175–177. doi.org/10.1055/a-0661-6693

5.           Pandit JA, Pawelek JB, Leff B, Topol EJ (2024) The hospital at home in the USA: current status and future prospects. npj Digit Med 7:48. doi.org/10.1038/s41746-024-01040-9

6.           Eron L, King P, Marineau M, Yonehara C (2004) Treating Acute Infections by Telemedicine in the Home. Clinical Infectious Diseases 39:1175–1181. doi.org/10.1086/424671

7.           Zychlinski N, Fluss R, Goldberg Y, et al (2024) Tele-medicine controlled hospital at home is associated with better outcomes than hospital stay. PLoS ONE 19:e0309077. doi.org/10.1371/journal.pone.0309077

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