Kommunikation über Fachgrenzen hinweg: IT und BWL im Dialog im interdisziplinären Team
Wissensdatenbank Organisation Strukturen & Prozesse Integration & Interoperabilität D.1: Intelligentes Führen von vernetzten Spitälern - Ein digitales SimulationsspielInterdisziplinäre Teams ermöglichen neue Lösungen – bringen aber auch kommunikative Herausforderungen mit sich. Im vorliegenden Projekt trafen Gesundheitsökonom:innen, Simulationsexpert:innen und Entwickler:innen aufeinander. Eine geteilte Projektleitung mit klaren Schnittstellen förderte die Verständigung.
Problembeschreibung, Forschungsfrage und Relevanz
Interdisziplinarität gilt als Schlüssel zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen, insbesondere im Gesundheitswesen (Klein, 2010). Doch während die Kombination unterschiedlicher Fachperspektiven Innovationspotenzial birgt, ist die Umsetzung häufig erschwert: Unterschiede in Fachsprache, Denklogik und methodischem Vorgehen führen oft zu Missverständnissen und Zielkonflikten (Cummings & Kiesler, 2005).
Im Rahmen des Projekts arbeiteten Fachpersonen aus der Gesundheitsökonomie, der Simulation & Optimierung sowie dem Data Management & Visualisierung gemeinsam an einer datenbasierten Entscheidungsunterstützung. Während die einen den Nutzen für die Praxis im Blick hatten, fokussierten andere auf mathematische Modellierung oder performante technische Umsetzung.
Diese Unterschiede führten schnell zu Kommunikationsproblemen: Anforderungen wurden unterschiedlich verstanden, Begriffe verschieden interpretiert und technische Rückmeldungen nicht immer korrekt eingeordnet.
Vor diesem Hintergrund entstand die Forschungsfrage: Wie lässt sich die Kommunikation in interdisziplinären Projektteams so strukturieren, dass Reibungsverluste minimiert und Synergien gefördert werden können?
Die Relevanz dieser Frage reicht weit über das einzelne Projekt hinaus: Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist auch in vielen anderen Bereichen längst Alltag – ob in der Forschung, in öffentlichen Verwaltungen oder in Spitälern. Projekte scheitern oft nicht an mangelnder Fachkompetenz, sondern an fehlendem gegenseitigem Verständnis (Salazar et al., 2012). Ein strukturierter Umgang mit diesen Herausforderungen ist daher zentral für den Erfolg.
Methoden und Vorgehen im Projekt
Eine besondere Herausforderung bestand darin, die inhaltlich-konzeptionellen Anforderungen des Spiels so zu vermitteln, dass sie für die technischen Entwickler:innen nachvollziehbar und umsetzbar waren. Es ging dabei nicht nur um die formale Übergabe von Anforderungen, sondern um ein gemeinsames Verständnis dafür, welche fachlichen Zusammenhänge im Spiel abgebildet werden sollen. Dies war wichtig, damit sich die Entwickler:innen bei der technischen Umsetzung die richtigen Gedanken machen konnten – etwa zur Logik der Abläufe oder zu Entscheidungsregeln.
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit wurde eine Doppelprojektleitung eingerichtet: Eine Vertreterin der Gesundheitsökonomie sowie ein Vertreter der Simulation & Optimierung übernahmen gemeinsam die Koordination. Beide fungierten als Ansprechpersonen für ihre jeweiligen Fachbereiche und bildeten gemeinsam die Schnittstelle zu den technischen Entwickler:innen.
Zusätzlich übernahm der Vertreter der Simulation die Rolle eines Vermittlers („boundary spanner“, Levina & Vaast, 2005). Er verstand sowohl die Anforderungen der Wirtschaftlichkeit als auch die technischen Rahmenbedingungen – und konnte so Missverständnisse auflösen, Rückfragen bündeln und Lösungen gezielt vermitteln.
Das Vorgehen wurde durch regelmässige Meetings, klar dokumentierte Anforderungen und kurze Feedbackzyklen ergänzt. Dadurch konnte ein gemeinsames Verständnis geschaffen und der Projektfortschritt effizient gestaltet werden.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Die Entscheidung für eine Doppelprojektleitung in Kombination mit einer vermittelnden Rolle zwischen Fachbereichen erwies sich als hoch wirksam. Die Kommunikationsstruktur schuf Klarheit über Verantwortlichkeiten, förderte Transparenz und half, verschiedene Denklogiken miteinander zu verbinden.
Besonders wertvoll war die Rolle des „boundary spanners“, wie sie in der Literatur beschrieben wird (Levina & Vaast, 2005). Diese Person konnte Übersetzungsarbeit leisten – etwa wenn technische Rückmeldungen aus der Programmierung durch die Gesundheitsökonomie falsch verstanden wurden oder Anforderungen zu vage formuliert waren.
Ein weiterer Effekt: Die gegenseitige Wertschätzung zwischen den Disziplinen nahm zu. Während zu Beginn gelegentlich Frustration über vermeintlich „komplizierte“ Rückfragen oder „unverständliche“ Anforderungen spürbar war, entstand durch die strukturierte Zusammenarbeit mehr Verständnis für die jeweilige Fachlogik.
Auch die Projektziele profitierten: Anforderungen konnten schneller umgesetzt werden, technische Rückfragen wurden gezielter adressiert, und die Modelllogik besser auf Umsetzbarkeit geprüft. Durch die Kombination aus struktureller Klarheit und vermittelnder Kommunikation wurde Interdisziplinarität nicht nur als Herausforderung, sondern als produktive Ressource erlebt.
Damit bestätigt das Projekt Erkenntnisse aus der Teamforschung: Interdisziplinäre Kooperation braucht nicht nur Offenheit – sondern auch Strukturen, die Verständigung ermöglichen (Fiore, 2008).
Empfehlungen für die Praxis
Führe eine fachspezifische Doppelprojektleitung ein, um die Gleichwertigkeit der Perspektiven zu sichern und eine Brücke zwischen Disziplinen zu schlagen.
Bestimme bewusst eine Vermittlerrolle („boundary spanner“), idealerweise mit Kenntnissen in mehreren beteiligten Bereichen.
Nutze strukturierte Kommunikationsformate, z. B. kurze, regelmässige Meetings mit klar definierten Themen und Rückfragen.
Dokumentiere Anforderungen präzise, um Interpretationsspielräume zwischen den Fachdisziplinen zu verringern.
Etabliere ein gemeinsames Begriffsverständnis durch Glossare oder Kickoff-Workshops.
Sensibilisiere für unterschiedliche Denklogiken, z. B. durch kurze Inputs oder gegenseitige Fachvorstellungen.
Baue Feedbackzyklen zwischen Teilteams ein, um Missverständnisse früh zu erkennen und flexibel gegenzusteuern.
Literatur und andere Quellen
Cummings, J. N., & Kiesler, S. (2005). Collaborative research across disciplinary and organizational boundaries. Social Studies of Science, 35(5), 703–722.
Fiore, S. M. (2008). Interdisciplinarity as teamwork: How the science of teams can inform team science. Small Group Research, 39(3), 251–277.
Klein, J. T. (2010). A taxonomy of interdisciplinarity. In R. Frodeman (Ed.), The Oxford Handbook of Interdisciplinarity. Oxford University Press.
Levina, N., & Vaast, E. (2005). The emergence of boundary spanning competence in practice: Implications for implementation and use of information systems. MIS Quarterly, 29(2), 335–363.
Salazar, M. R., Lant, T. K., Fiore, S. M., & Salas, E. (2012). Facilitating innovation in interdisciplinary teams: The role of leaders and integrative communication. Academy of Management Journal, 55(4), 909–931.
Zitierung des Beitrags
Der Beitrag zu Kommunikation über Fachgrenzen hinweg.